von Karin Nink, Chefredakteurin des "vorwärts"
"Man kann schnell arm werden in Deutschland - trotz Arbeit. Wie das geht? Offenbar recht einfach. Immer mehr Männer und vor allem Frauen in Deutschland müssen zu Niedrigstlöhnen und in unsicheren Arbeitsverhältnissen arbeiten, weil sie keine gute Ausbildung haben, weil sie Alleinerziehende sind, weil sie nicht den geraden Berufsweg gehen konnten, weil ...
Es ist richtig: Die Wettbewerbsbedingungen haben sich für viele Unternehmen durch die Globalisierung verschärft. Es ist aber auch richtig, dass die Folgen nicht einfach auf dem Buckel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen werden dürfen. Vor allem darf es nicht sein, dass skrupellose Unternehmen ihre Gunst der Stunde nutzen, Mitarbeiter unter Druck setzen und ihnen ihre Arbeitnehmerrechte streitig machen.
Auch die Politik hat Fehler gemacht, als sie das deutsche Arbeits- und Sozialsystem modernisierte. Sie hat der Wirtschaft zu sehr vertraut und nicht schnell genug reagiert, als der Missbrauch und die Fehlentwicklungen von vernünftig Reformen deutlich wurden. Selbst die Gewerkschaften haben geschlafen. Denn wäre mit der Zeit- und Leiharbeit ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt worden, hätte es viele Auswüchse nicht gegeben.
Die Fehlentwicklungen sind längst erkannt. Es wird höchste Zeit, sie zu korrigieren. Die christlich-liberale Koalition hat das nicht getan. Die SPD wird es tun. Denn Deutschland wird nur wirtschaftlich stark bleiben, wenn wir an einem vernünftigen Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern festhalten. Andere Länder beneiden uns darum. Die Arbeitgeber sollten sich daran erinnern."
aus "vorwärts", April 2013